Dienstag, 6. April 2010

Quotenfrauen sind besser als ihr Ruf / Handelsblatt 2008

Frauenquoten produzieren Quotenfrauen – das sind Damen, die nur deshalb eine Position innehaben, weil sie das richtige Geschlecht besitzen. Männer, die besser geeignet wären, kommen wegen des falschen Geschlechts nicht zum Zuge. Entsprechend groß ist allseits die Verachtung für Quotenfrauen. Nicht zuletzt erfolgreiche Frauen sind vehement gegen Quotenregelungen, weil sie den schlechten Ruf der Quotenfrau fürchten.

Drei Wirtschaftsforscherinnen der Universitäten Pittsburgh, Stanford und Pompeu Fabra (Barcelona) haben im Labor untersucht, ob diese Einschätzung gerechtfertigt ist. Den beruflichen Aufstieg in einer Hierarchie betrachteten sie – wie in der Ökonomie üblich – als Turnier. In den Experimenten treten die Mitglieder einer Gruppe gegeneinander an und der oder die Beste gewinnt einen Preis, den man sich im realen Arbeitsleben als Beförderung auf die nächsthöhere Hierarchiestufe vorstellen kann. Die anderen gehen leer aus.

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Zu den in der Wissenschaft weithin akzeptierten Erklärungsfaktoren dafür, dass der Frauenanteil von Hierarchieebene zu Hierarchieebene steil abnimmt, gehört, dass viele Männer den Wettstreit lieben. Frauen dagegen, so die durch verschiedene Studien belegte These, gehen einem von Konkurrenz geprägten Umfeld eher aus dem Weg, jedenfalls dann, wenn sie mit Männern konkurrieren.

Die Forscherinnen Lise Vesterlund, Muriel Niederle und Carmit Segal haben untersucht, was passiert, wenn Frauen nicht direkt gegen Männer antreten müssen, um zu gewinnen. Sie ließen Frauen und Männer standardisierte Rechenaufgaben lösen. Zunächst wurden die Teilnehmer einfach danach bezahlt, wie viele Aufgaben sie korrekt lösten. Dabei zeigte sich: Männer waren im Durchschnitt etwas besser als Frauen.

In einer zweiten Runde traten die Teilnehmer in gemischten Gruppen gegeneinander an, nur die besten zwei Teilnehmer gewannen Preise. Auch hier schnitten die Männer besser ab. In einer dritten Runde durften die Teilnehmer vorab wählen, ob sie allein gemäß der eigenen Leistung oder nach ihrer relativen Performance im Vergleich zu den anderen Probanden bezahlt werden wollten.

Wer überdurchschnittlich gut rechnen konnte, fuhr objektiv mit der relativen Entlohnung besser. Dabei gingen zwei Drittel der Teilnehmer leer aus, ein Drittel gewann einen deutlich höheren Preis. Von den Männern, die objektiv mit dem Turniermodus besser bedient waren, entschieden sich alle dafür. Von den Frauen, deren Können dafür gut genug war, war es dagegen nur jede dritte. Die übrigen zogen das bescheidene, aber sichere Salär pro gelöster Aufgabe vor. In der realen Berufswelt kann man sich diese Frauen vorstellen als überdurchschnittlich qualifizierte Mitarbeiterinnen, die sich am Rattenrennen um die besten Jobs nicht beteiligen, sondern still und unauffällig ihren Dienst tun.

Die Forscherinnen fragten die Teilnehmer, wie sie ihre eigene Leistung bewerteten. So stellten sie fest, dass die Männer sich systematisch überschätzten. Frauen dagegen hatten ein realistisches Bild ihrer eigenen Performance.

Interessant ist: Bei den Männern verschwand die Selbstüberschätzung weitgehend, wenn sie nach dem Rangplatz im Verhältnis zu männlichen Konkurrenten gefragt wurden. Offenbar zogen sie einen Großteil des überhöhten Selbstvertrauens daraus, dass sie sich den Frauen in ihrer Gruppe überlegen fühlten.

In einer vierten Turnierrunde führten die Forscherinnen eine Frauenquote ein. Sie legten fest, dass mindestens einer der beiden Sieger weiblich sein musste. Damit stiegen die Erfolgsaussichten für Frauen erheblich. Die Folge: Der Anteil der Frauen, die sich für das Turnier entschieden, stieg drastisch an – auf 83 Prozent. Bei den Männern waren es nur 45 Prozent.

Weil sich plötzlich so viele Frauen für das Turnier entschieden, stieg die Zahl der überdurchschnittlich guten weiblichen Teilnehmer, die miteinander konkurrierten, deutlich an. Weil sich jetzt deutlich mehr als nur ein Drittel der überdurchschnittlich guten Frauen dem Wettbewerb stellten, stieg die Leistungsschwelle, die die Gewinnerin überschreiten musste. Sie war nur geringfügig niedriger als für Männer. Um die 50-prozentige Frauenquote unter den Gewinnern zu erreichen, mussten nur wenige Männer übergangen werden, die bessere Leistungen brachten.

Ohne die Ankündigung der Quotenregel und die dadurch entstehende stärkere Turnier-Beteiligung der Frauen hätte das ganz anders ausgesehen. Wer in der dritten Turnierrunde im Nachhinein gleich viele Männer wie Frauen zu Gewinnern hätte küren wollen, hätte die Leistungsanforderungen für Frauen deutlich senken müssen.

Für das wirkliche Leben lässt sich daraus ableiten: Wer eine Frauenquote einführt, sollte auf der untersten Hierarchieebene anfangen und dies lange vorher ankündigen. Nur dann kann der positive Teilnahmeeffekt seine volle Wirkung entfalten. Dann hat man gute Karten, den Frauenanteil unter den Führungskräften deutlich zu erhöhen, ohne die Qualitätsansprüche herunterschrauben zu müssen.

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